Musik in der Fotografie

29.10.2020

oder die Frage wie man die Seele eines Komponisten im Bild darstellt. 

Florestan den Wilden

Eusebius den Milden

Tränen und Flammen

Nimm sie zusammen

In mir beide

Den Schmerz und die Freude

So schreibt der Dichter Robert Schumann an seine Geliebte Clara. Er war ja Beides: Komponist und Dichter. Schon als Gymnasiast schwärmte der Sohn eines Verlegers und Buchhändlers für das Schreiben. Nach dem abgebrochenen Jura-Studium wollte er zunächst Pianist werden und den Olymp der Musik besteigen. Allein die große Solokariere blieb seiner späteren Frau Clara vorbehalten, während er nur "der Mann an ihrer Seite" war. Für das Selbstbewusstseins eines jungen Mannes im 19. Jahrhundert bestimmt ein Abgrund.

Fasziniert vom Roman "Flegeljahre" von Jean Paul, in dem das ungleiche Zwillingspaar Vult und Walt beschrieben wurde, konnte sich Schumann wohl in beiden Brüdern finden. Vult, der sich an keinerlei Konventionen halten wollte und Walt der den ruhigen Gegenpart darstellte. Angelehnt an dieses Paar erfand Schumann das "Schelmenpaar" Florestan und Eusebius. Der wilde, stürmische und extrovertierte Florestan auf der einen Seite und der ruhige, kontemplative Eusebius auf der anderen Seite. Beide Herzen waren wohl in Schumanns Brust vereint.

Nun ergab sich für mich die Idee, diese zerrissene Persönlichkeit Schumanns, des großen Komponisten für Klavierliteratur, fotografisch darzustellen. Das Klavier als Motiv lag ja auf der Hand. Aber wie sollte es möglich sein, diese zwei Seelenzustände darzustellen?

Des Rätsels Lösung fand sich im "zweiten Vorhang"!

Ich stellte also meine Kamera mit einer 45mm f1.8 Festbrennweite auf ein Stativ von rechts auf das Klavier "blickend" und ein weiteres Stativ mit Systemblitz hinter meine linke Schulter. Nach dem Betätigen des Selbstauslösers musste ich sodann nur noch Klavier spielen. Ich spielte eine Passage aus Schumanns opus 1, belichtete 3,5 sec und am Ende der Belichtung, dem sog.  "zweiten Vorhang", löste schließlich der Blitz aus. Durch die lange Belichtungszeit zeichneten die Hände Spuren in die Tastatur (Florestan), während der Blitz dafür sorgte, dass die Spiegelung der Hände im Klavierdeckel scharf abgebildet wurden und dadurch erstarrt und ruhig sichtbar werden (Eusebius).

Beim Betrachten der Fotografie lohnt es sich dabei durchaus die Stücke "florestan" und "eusebius" aus dem "carnaval opus 9" zu hören.

Vielen Dank fürs Lesen!

Stefan Urlbauer

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